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Mindpacifique

Flaschendrehen

von | Jun 26, 2007 | Geschichten | 0 Kommentare

Fasziniert schaut Bernd auf Gabriels Hände.

Geschickt hält er die Aldi-Tüte und lässt den ausgelaufenen Wein durch ein Sieb in die Glaskaraffe fließen. Die gesammelten Scherben entsorgt Gabriel im Mülleimer. Bernd spürt Gänsehaut am ganzen Körper, er schüttelt den Ekel ab und fragt: „Wofür brauchst du den Wein denn noch?“ Gabriel zieht die Augenbrauen hoch und mustert seinen Angestellten. „Der Wein war teuer genug, Camilla kann den morgen abend noch trinken. Sie trinkt nach so stressigen Tagen immer gerne einen Wein, um runter zu kommen. Bis dahin ist der schön gekühlt.“ Bernd schüttelt unmerklich den Kopf und wendet sich an die Haustür. Gabriel verstaut die übrigen Einkäufe, schnappt sich die Autoschlüssel und setzt sich in den Porsche. Es ist ein sonniger aber sehr frischer Februartag. Gabriel öffnet das automatische Verdeck. „Jetzt geht es los. Komm schon , setzt dich rein, ich brauche dich noch.“ Bernd seufzt schwer und setzt sich auf den Beifahrersitz. Die Heizung arbeitet schon. Das Leder des Sitzes wärmt sein Hinterteil. „Du weißt schon, das du ambivalent bist. Auf der einen Seite schüttest du den Wein aus der kaputten Flasche in der dreckigen Tüte in eine Karaffe, damit du sie nicht wegschütten musst. Auf der anderen Seite fährst du jetzt knapp dreihundert Kilometer im Winter mit offenen Verdeck.“ Gabriel dreht sich grinsend zu ihm hin: „Du musst nur lernen, im richtigen Augenblick zu sparen. Ashleys Pullis habe ich gestern die Ärmel auf die Hälfte abgeschnitten, kann die jetzt noch locker ein halbes Jahr tragen. Ja, Engel hier“, in der Zwischenzeit klingelte sein Handy. „bleib locker Schatz, Bernd und ich sind gerade losgefahren. Wir sind spätestens in zwei Stunden bei dir. Nimm dir eine Massage, lass dich verwöhnen und stress mich bitte nicht. Das Kind ist sicher bei deinen Eltern. Wurde ja mal wieder Zeit, könnten sich auch mal öfter um ihr Enkelchen kümmern. Ja, du mich auch, bis gleich.“ Mit dem Knopf im Ohr muss er sehr laut reden, Bernd versteht jedes Wort. Ob er will oder nicht. „Die nervt mich so, die ist so krank, aber glaub mal nicht, die ließe sich mal untersuchen. Selbst die Hilfe von Ilse mochte sie nicht annehmen. Bei der letzten gemeinsamen Sitzung hat Ilse sie einfach nur mit einigen Wahrheiten konfrontiert und seitdem möchte sie nichts mehr mit ihr zu tun haben. Ich glaube, die ist eifersüchtig. Tja, wenn man vom Egel spricht,“ er lacht über seinen eigenen Witz und nimmt das Gespräch an. Ilse wurde vor ein paar Jahren von einer schweren Krankheit niedergestreckt, die gerade so überlebte. Seitdem sah sie überall Engel, na ja irgendeine Fähigkeit schien sie entwickelt zu haben. An diese glaubten jetzt viele Menschen in Bernds Umgebung. So auch Gabriel. „Hast du dir die Fotos angeschaut? Welches Haus käme denn in Frage? Ja, ja, nein, mit Camilla zu reden hat leider keinen Sinn. Du weißt ja, es darf nicht außerhalb sein, dann ist es zu einsam. Nicht schlicht, weil die Familie soll ja sehen, das sie es zu etwas gebracht hat. Ja genau, die Eitelkeiten. Ja schau dir die Bilder von den Häusern noch mal in Ruhe an, da kommt ein Anruf, bis später, ja, Engel hier. Wer ist da, mein Schätzchen, Hallo Ashley, rate mal, wer neben mir sitzt. Bernd, möchtest du Bernd mal Hallo sagen,“ Schwupps, steckte der Ohrstöpsel in Bernds Ohrmuschel und er hörte das vergnügte Krähen der zweijährigen Tochter. Er brabbelt mit ihr und verabschiedet sich wieder von ihr und gibt den Stöpsel an Gabriel. „Ja, gib mir noch mal die Oma, Küsschen, Hilde, ja alles klar? OK, noch mal danke dafür, das ihr sie so kurzfristig nehmen konntet, und denke bitte daran, nicht vor zehn Uhr abends ins Bett, dann ist sie immer so umgewöhnt und wacht zu früh morgens auf. Ja, danke und viel Spaß noch. Tschö“ er unterbricht die Verbindung und wendet sich Bernd zu: „Die gehen mir so auf den Sack, die legen die dann immer schon um acht Uhr abends ins Bett und dann ist sie das nach ein paar Tagen bei Oma und Opa so gewohnt und weckt uns dann schon um acht Uhr morgens. Dann ist der ganze Tag im Arsch..“